Anagramme
Anagramm@1
Privatsammlung Siepermann, 2010
Raum 1: Anagramm@1, Stahlböcke, Glasplatte, 7 Vitrinen mit Objekten, Buchkassette, Monitor mit Slideshow der Notizen, Videoprojektion
Raum 2: OT, Stahltische, Glasplatten, verschiedene Objekte, Schwarzlicht, bewegtes Wasser
Strategie: von einem Fundstück ausgehend, wird mit einfachen Methoden – Zerteilen und Neukombinieren – ein synthetisches Objekt generiert, das seine Herkunft aus der Welt der alltäglichen Dinge noch erkennen lässt, durch Transformationsprozesse jedoch auf eine andere semantische Ebene verschoben wurde. Die Bedeutung eines solchen Objektes kann auf der alltäglichen sowie auf der neuen Ebene mit Worten beschrieben werden.
Diese komprimierte Beschreibung wird jetzt in einen Anagramm-Generator, wie man sie im Internet finden kann, eingetippt. Je nach Einstellung des Generators und abhängig von der Buchstabenkonstellation wird eine lange Liste von Anagrammen ausgegeben. In dieser Liste ist logisch gesehen kein tieferer Sinn zu finden, beim Lesen stellt sich jedoch eine Hirnaktivität ein, die als Mustererkennung interpretiert werden könnte … gepaart mit einem Gefühl der Fremdartigkeit, das zu erreichen ist, wenn man sich im Spiegel selbst in die Augen blickt und immer wieder den eigenen Namen ausspricht. Ziel dieser sonderbaren Tätigkeit ist es, eine Art Handlungsanweisung in diesem Code aufzuspüren, die neue Objekte generieren könnte.
In der Arbeit Anagramme @1 (2010, Sammlung Siepermann, Wuppertal) wurde ich „von höheren Wesen“ (Sigmar Polke, 1969) z.B. dazu aufgefordert, Hühnerleder herzustellen und dieses auf einen Maulkorb aufzuspannen. (Dazu wurde selbstverständlich ein Biohuhn genommen.)
Wie es genau zu einer solchen Handlungsanweisung kam, dokumentierte ich in einem Werkstattbuch, später zerpflückt in Einzelseiten und eingelegt in eine dafür hergestellte Buchkassette … das Buch muss möglicherweise als wichtigster Teil der Arbeit gewertet werden.
Anagramm@4
Aion, Berufsverband Bildender Künstler, Stapelhaus, Köln 2011
Strategie: In einer neuen, 2011 entstandenen Serie sind die Anagramme direkt in die Arbeit integriert worden … teilweise verschlüsselt in einem Code, der nur Spezialisten sofort zugänglich ist, beispielsweise im Morsecode oder als Brailleschrift. Anagramme als der Versuch, die poetische Natur, die meinen Objekten schon immer immanent war, in eine direkte aber doppelbödige Verbindung mit Sprache zu bringen, um so ein erweitertes Semantisches Feld aufzubauen. Für die Vitrine Anagram@4 wurde ein Objekt von 2011 herangezogen, das mit dem Titel „Soldatengedanken“ eine gute Ausgangsbasis bot. Aus diesen sechszehn Buchstaben entstand folgendes Angrammgedicht:
Soldatengedanken, so dekadent angeln.Goldsandteekanne sandte goldne Akne.
Dank Edelgastonne stank Adel endogen. Geld sandte Kanone, Dank an Todesengel.
Senegaltod danken, den Gastod anekeln! Gedankenlos Daten, senden den Katalog.
Kondensat geladen, so Gedanken tadeln? Anekdote sann Geld, Gnaden-Saldo-Knete.
Datensonde-Klagen, adeln Kostengnade. Andenken Talgdose: da stand Neonkegel.
Dekan Gnadenlotse. Nage LSD Anekdoten. Da Seenot den Klang, sog Enddaten-Laken.
Das darin immer wiederkehrende Todesthema, die Wörter „Gastod“ und „Kondensat“ brachten mich auf die Idee, ein zweites Objekt aus meinem Fundus ins Spiel zu bringen, betitelt mit „Lunge eines Künstlers“. Daraus wurde ebenfalls ein Anagrammgedicht konstruiert:
Lunge eines Künstlers: selektier uns Lesungen / Kusslunte Nieselregen stelle Unkenerguss ein
Es unterliess ungelenk Nusskiesel-Entleerung /Kulturlesen geniessen, linke Russenseelen gut
Neueste Russenklingel, Kieselnuss unterlegen / Eltern-Unsegen-Kulisse, Eiskrusten Null-Genese
Gelee liess uns trunken Selleriegenuss tunken / Neueinstellung kesser, Gusseisen-Eltern ulken
Sesselulken ungeniert, Essen rituell gesunken / Leugne Nesterkulissen: Gurke, Seele, Sinnenlust
Tunnel-ekel gusseisern, Eule uns Segelknistern / Klerus Unsegen leisten, selten Kursus einlegen
Die so entstandenen Anagrammtexte wurden in der Ausstellung Aion von einer Computerstimme über Lautsprecher verlesen. Dass dabei einzelne Zeilen jedes Gedichtes im Stereofeld wechselweise links und rechts ertönten, wird die Konfusion des Hörers/Betrachters aber nur unwesentlich gesteigert haben.