Stefan Zöllner

Sprachlabor

Projektraum Die Treppe, Düren 2013

Raum-Video-Installation, Je 7 Reaktoren in 3 Glasvitrinen, Videoprojektion Gezeigt wurden u.a. ausserdem neue Arbeiten aus den Projekten Anagramme und Mobilmachung

Traumbefehle
Wenn der Traum, im Sinne traumwandlerischen Flanierens durch surreale Wortareale, zum Autor in der Wachwirklichkeit wird, zum Ursprung und dann Urheber neuer Dinge, dann fühlen wir uns an schamanistische Praktiken erinnert oder traumselige Momente der Kindheit, in denen wir so selbstvergessen selbstverständlich in Phantasien spielten als existiere kein Unterschied zwischen Vorstellung und Realität. Genau dies aber ist der Boden der neuen Poetik Zöllners, auf der er entwickelt, verwandelt und letztlich der Demiurg wird, der Platons Gedanken vom Urbild und dessen Abbild als Ding wahr werden lässt. Entsprangen schon die früheren, vordergründig einfachen Objekte dieser Art materialisierter Poetik, so sind es die neueren in einer viel impliziteren Weise. Lässig gewählte Anagramme wie „Hühnerleder“, „Zugeschnallte Fromms“ oder „Ereiferter Dorn im Bitumentest“ werden direkt umgesetzt und übersetzen so die sprachlichen Traumgeschöpfe in reale Objekte ohne an Geheimnis zu verlieren. Im Gegenteil: die Transkription erweitert unsere Perspektiven um vier neue Dimensionen. Zöllner erschafft hier einen Hermaphroditen, einen Wechselbalg, dessen explizite Deutung zu oszillieren beginnt, sobald wir zwischen Code/Sprache und Material/Objekt zu vermitteln suchen. Betrachten wir die Objekte unter Berücksichtigung ihres sprachlichen Ursprungs, werden wir animiert, ständig das Standbein zu wechseln. Wir vollführen also ein Beobachtertänzchen im  Rhythmus der changierenden Kippfigur. Dabei verführen uns die meist der Zweckwelt entlehnten Materialien dazu, weitere Deutungsversuche zu wagen, wie in einem potenten Gedicht jenseits der Zeilen zu lesen. Bis in einen magischen Zustand, ja, Rausch hinein, in dem die Ratio, der erweiterten Wahrnehmung zuliebe, ihren Hegemonieanspruch aufgegeben hat. Was uns auf den Planken von Rimbauds trunkenem Schiff auf so fantastische Weise in eine Realität jenseits der Sprache schaukeln lässt, scheint auch bei Zöllners Transformationen auf. Der Mutationstaumel selbst ist es auch, den der Künstler sucht, von dem er angetrieben ist und der ihn für uns zaubern lässt. Georg Heuschen, 2013 (Katalogtext)

Über Manierismus
…  und das bis heute nicht in Gänze entschlüsselte ‚Große Glas’ Marcel Duchamps: das alles sind Manifeste einer seither nie wieder verschwundenen Seh- und Darstellungsweise, in deren Ahnen- und Enkelreihe auch das Werk eines Stefan Zöllner steht. Und der mit seiner neuesten anagrammatisch inspirierten Arbeit Sprachlabor den Manierismus auf eine potenzierte Ebene hebt: Die alchemistische Transformation überführt die Dinge in Sprache, die dann, atomisiert und neu zusammengefügt, neue Dinge gebiert. Hier treffen sich platonische Ideenwelt und magisch- protochemische Entdeckerfreude und kreieren jenes numinose Dritte, das als Kunst von der Sphäre des Empirischen, der wissenschaftlichen Faktizität geschieden zu sein scheint. Die Manieristen aller Zeiten wussten es besser: Jede Welt ist ein Kunstwerk. Martin Knepper, 2013 (Auszug aus der Eröffnungsrede)